Es ist zwar schon wieder gut zwei Wochen her, aber wir wollen euch nicht unseren fantastischen Bericht von Christina zur Night on Bike 2019 in Radevormwald vorenthalten:
Qualen und Strahlen
„Warum tut man sowas?!?“ – ungläubig schaut mich ein Arbeitskollege an, als ich von meinem Vorhaben erzähle, am Wochenende in einem Team aus sechs Fahrern ein 24h-Mountainbike-Rennen zu bestreiten. Die Night on Bike in Radevormwald ist als Veranstaltung auserkoren, die Wälder des Bergischen und die eigenen körperlichen Grenzen zu erkunden; zudem liegt das schön nah an Wuppertal, der Heimat von greenzone biking.
Schon vor Wochen haben wir uns getroffen und Listen erstellt, was alles benötigt wird und wer was mitbringen soll: Pavillons als Schutz vor Sonne und Regen, Verpflegung, Licht, Werkzeug, Sitz- und Schlafgelegenheiten und viele Kleinigkeiten. Am Freitag Nachmittag schon bauen wir unsere Box im Fahrerlager auf der „Alm“ von Inspingrade auf. Dann geht es für eine geruhsame Nacht ins heimische Bett.
Unser Team ist bunt gemischt: Selbstständige Handwerker, Schüler, Schreibtischtäter, gestandener Familienvater. Wir alle sind Hobbyfahrer. Niemand ist darauf vorbereitet hier vorne mitzufahren. Darum geht es nicht.
Zum Start um 12 Uhr am Samstag Mittag schicken wir Christian, unseren besten Mann mit der meisten Rennerfahrung, ins Rennen. Er setzt sich bravourös durch und erklimmt schon nach weniger als 24 Minuten den „Schweineberg“ am Ende des rund zehn Kilometer langen Rundkurses. Ich mache mich als Dritte auf den Weg. Natürlich habe ich die Strecke tags zuvor abgeradelt, aber wenn man so schnell wie möglich die insgesamt 190 Höhenmeter und zahlreichen Waldtrails bewältigen möchte, dann sind die Anstiege erheblich anstrengender als im sonst üblichen Feierabendrunden-Modus. Insbesondere eine bis zu 26 Prozent steile, grob geschotterte Rampe verlangt mir ab der ersten Runden alles ab. „Wie soll ich hier noch rauffahren in meiner 5., 6. oder 7. Runde?“ frage ich mich. Das tolle Publikum an verschiedenen Stellen der Strecke feuert lautstark wie ausdauernd alle Fahrer an, das setzt ungeahnte Kräfte frei.
Zwischen den einzelnen Turns geht es vor allem darum zu relaxen, die Beine zu lockern und Energie für die nächste Runde zu sammeln. Ich bin die einzige Frau im Team, und meine Jungs geben alle richtig Gas, sodass ich viel mehr Runden fahren muss als mir eigentlich lieb ist. Aber hier zählt jeder Fahrer gleich, da hilft kein Mimimi, denn alle strengen sich gleich an, egal, welche Zeit am Ende herauskommt.
In der Nacht zu fahren, ist ein besonderes Erlebnis: Die Wege sehen im Schein des Scheinwerfers anders aus, die Strecke wird immer ausgefahrener, die ein oder andere Kurve und Wurzel kommt doch überraschend. Wir wechseln den Rhythmus, damit jedem im Team eine längere Nachtruhe vergönnt ist. Aus meiner Nachtruhe wird nichts, denn auf der Alm ist die Party voll im Gange. Die Zeit zwischen ein und drei Uhr nachts wechseln Christoph und ich uns ab, während die anderen vier greenzone-Biker auf dem Feldbett, der Massageliege, im Auto oder auf einem Stuhl schlafen.
Sonntag Morgen sechs Uhr. Das letzte Viertel und der Tag sind angebrochen. Endspurt Team greenzone biking liegt auf einem sehr guten 8. Platz. Auch wenn es letztendlich darum geht gegen sich selbst zu kämpfen, erwacht doch der Ehrgeiz. Den Platz wollen wir halten, also mobilisiert jeder seine verbleibenden Kräfte. Jeder Minianstieg fühlt sich in meinen Beinen an wie ein Alpenpass. Ruhig weiteratmen, auch wenn der Puls rast. Tritt für Tritt erklimme ich bis zu meiner achten und letzten Runde den Schweineberg I und II im Sattel. Ich hätte gestern keinen Pfifferling darauf verwettet, dass mir das gelingen könnte…
Um 11.57 Uhr der letzte Fahrerwechsel. Christian hat nochmal alles gegeben, um dem Team die 50. Runde zu ermöglichen. Glücklich, mit strahlenden Gesichtern liegen sich am Ende alle in den Armen; wir sind selbst erstaunt, was wir geschafft haben.
Um zu erleben, dass die eigenen körperlichen Grenzen weit außerhalb dessen liegen, was man sich vorher vorstellen konnte. Um zu erfahren, dass der Kopf den Körper zu ungeahnten Leistungen führen kann. Um von einem Team getragen und angesport zu werden, dass die Leistung jedes Mitglieds anerkennt, weil alle ihr Bestmögliches gegeben haben. Um den persönlichen Schweinehund 24 Stunden lang besiegt zu haben. Vielen Dank an greenzone biking für dieses wundervolle, mega anstrengende, schlaflose Wochenende! Und nächstes Jahr? Tja, ich wäre wohl wieder dabei…